Prof. Dr. Hans-Joachim Sander Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd

Der 29.2.2000 – ein ganz außergewöhnlicher Schalttag

Wenn ich mit meinen Studierenden auf das Thema "Schaltjahre" zu sprechen komme und sie frage, wie oft denn geschaltet wird, dann sagen die meisten: "Alle vier Jahre!", und nur ganz wenige wissen: "Aber alle 100 Jahre wird nicht geschaltet!" Ja, aber warum ist dann das Jahr 2000 doch ein Schaltjahr?

Die genaue Schaltregel ist: Alle vier Jahre wird geschaltet, als Ausnahme davon wird in den vollen Jahrhunderten nicht geschaltet. 1800 und 1900 waren zum Beispiel keine Schaltjahre. Aber davon gibt es noch eine Ausnahme: Alle 400 Jahre wird doch geschaltet! Der 29.2.2000 ist also ein ganz besonderer Schalttag, erst am 29.2.2400 wird es wieder ein ähnliches Ereignis geben.

"Die spinnen, die Kalendermacher!" werden manche jetzt denken. Warum wird denn nicht einfach alle vier Jahre geschaltet, ja, warum wird überhaupt geschaltet?

Die Erde braucht auf ihrem Weg um die Sonne leider nicht ganz genau 365 Tage, sondern etwas länger, nämlich fast sechs Stunden mehr. Wenn sie genau 365 Tage brauchte, müsste man überhaupt nicht schalten, wenn sie genau 365 Tage und sechs Stunden brauchte, müsste man alle vier Jahre ohne Ausnahme einen Schalttag einfügen, denn nach vier Jahren ist aus den sechs Stunden pro Jahr ein ganzer Tag entstanden. Aber die Erde tut uns leider diesen Gefallen nicht: Sie benötigt im langjährigen Durchschnitt ganz genau 365 Tage, 5 Stunden, 48 Minuten und 46 Sekunden für einen Umlauf um die Sonne.

"Was würde denn passieren, wenn man gar nicht schalten würde?", mag trotzdem mancher fragen. In einem Menschenleben wäre kaum etwas bemerkbar, aber im Laufe vieler Jahrhunderte oder gar mehrerer Jahrtausende würde der Kalender irgendwann Frühlingsanfang melden, obwohl draußen in der Natur noch tiefster Winter herrscht! Und wenn alle vier Jahre geschaltet wird, also zu oft, passiert genau das Entgegengesetzte: Der Kalender meldet Frühlingsanfang, aber es ist schon Hochsommer!

Der Frühlingsanfang ist im Kirchenjahr von großer Wichtigkeit, denn seit dem Konzil von Nizäa im Jahr 325 wird Ostern am Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling gefeiert. Zu der Zeit galt der Julianische Kalender – so genannt nach Julius Cäsar -, in dem alle vier Jahre geschaltet wurde. (Übrigens hatten schon die alten Ägypter gemerkt: Immer nur bis 365 zu zählen ist zu wenig, denn in vier Jahren wanderte der längste Tag einen Tag in die Zukunft!)

Tausend Jahre nach dem Konzil von Nizäa war es unübersehbar, dass Ostern sich immer weiter nach hinten in Richtung Sommer verschob. So veranlasste Papst Gregor XIII im Jahr 1582 eine Kalenderreform: Auf Donnerstag, den 4. Oktober 1582 ließ er Freitag, den 15. Oktober 1582 folgen. Man hatte ja in der Vergangenheit zu oft Tage eingeschaltet, diese wurden jetzt wieder entfernt. Außerdem verfügte er die oben dargestellten Schaltregeln. Im Jahr 1600 gab es also ebenfalls einen 29. Februar. Seit der Kalenderreform gilt für uns der nach dem Papst benannte Gregorianische Kalender.

Man darf natürlich nicht glauben, dass einen Tag nach dem 4. Oktober 1582 die ganze Welt den 15. Oktober 1582 schrieb. Deutschland und England schlossen sich dem neuen Kalender erst über hundert Jahre später an, wobei katholisch geprägte Gebiete ihn eher übernahmen als evangelisch geprägte – was wieder zu neuen Schwierigkeiten führte, wenn sich Leute aus verschiedenen Teilen Deutschlands etwa "zu Ostern" treffen wollten. China übernahm den Gregorianischen Kalender erst 1949, und dass die Russische "Oktoberrevolution" im November stattfand, liegt auch daran, dass der dortige Kalender noch zehn Tage mehr hatte.

Stimmt denn der Gregorianische Kalender für immer und ewig? Nein, aber erst in etwa 3200 Jahren wird er so ungenau, dass der Fehler einen ganzen Tag beträgt. Dann wird eben einfach einmal nicht geschaltet – aber ob es dann noch Kalender und Menschen gibt, die Kalender benötigen?